10
Aug
2012

Literaturmeisterliche Behandlung.


[Eingestellt auf unnachsichtiges
Drängen der Teilnehmer.]

Zu: Meine Unbekannte. Von Thomas Kobbe.

„Das ist eindeutig ein Zehner. Perfekt. Mögen sie auch probieren?." Die Frau, die gerade den Inhalt des länglichen Zuckertütchens in die kleine, dickwandige Tasse geschüttet, umgerührt und den ersten Schluck probiert hatte, sah mich an. „Ich habe mir angewöhnt, zu bewerten, was der Barista so fabriziert. Crema, Stärke, Menge, Aroma“, sagte sie. Auf einer Skala von 1 bis 10. „Ich nehme hier jeden Morgen einen. Und immer schmeck er anders.“
Anscheinend gehörte sie wie ich zu der Gruppe der Büfettfrühstücks-Flüchtlinge, denen es zuwider war, ausgerechnet in Italien Filterkaffee zu trinken. Doch hier hatte ich sie noch nie gesehen.

[Der gesamte Text >>>> dort.

Von Martin Woelfle. Meisterklasse Judith Samen.


Ohne Titel.
[Bildrechte: Martin Woelfle.

„Siebzehn“, hat er gesagt. Von Cee Zenett.

Siebzehn. Treffer!
Dass ich so bin, wie ich bin, wegen: „17“.
Die Kinder. Die Liebe. Die Macht.
So genau hätt’s echt nicht sein müssen!
Darum bin ich nicht hier, nicht hergekommen, zum Schreiben.
Darum bin ich am Schreiben. Volltreffer.

Siebzehn. Der Anfang von allem.
Mit allem in Aussicht, was Geschichte wird.
Das Leben. Das Vertrauen. Das Tagebuch.
So’n Medium hat’s schon gebraucht!
Weil ohne vom Erleiden zu schreiben kein Fortkommen war.
Weil mit dem Schreiben vom Erleiden ins Wortkommen war.

Siebzehn. Wenn alles offen, alles Erwarten ist: Warten.
Auf morgen, auf Werden, auf: alles ist gut.
Der Zustand. Der Weg. Der Mann.
So ’ne Begegnung kann’s in sich haben: bewirkt alles, was kommt!
Denn wir treffen uns, mitten ins Herz trifft es uns: einander zu erkennen.
Denn wir treffen uns, schwer trifft es uns: Aug’ in Auge unkenntlich zu sein.


Mein Sein in der Zeit:
Wie bin ich geworden? Wie ist sie geworden.
Ihre Lebenszeit:
Sie ist angekommen? Ich bin angekommen.



Denn weil es so war, als sie siebzehn war – darum das:

Dass sie wissen will.
Dass sie warten kann.
Dass sie weiter denkt.
Dass sie träumt, sie tanzt – tanzte sie damals so leichtfüßig ihm ins Revier, flog sie himmelwärts auf, auf – bis ihr auffiel, beim Schaukeln, dass die Lust beim Schaukeln sich verflüchtigt, wenn sie sich ihrer bewusst und das Ende vom Auf im Ab sichtbar wird. Und sie beim Lust-Schaukeln hinunterfiel, ihm in die
Arme gefallen und nicht in den Arm fallen konnte, als es sie traf mit dem Macht-Erleiden in Liebe, die außer Fassen, Einander-Fassen das Fangen, Einander-Auffangen braucht.
Denn weil es so war, als sie siebzehn und nochmal siebzehn war – darum das:

Dass sie sich sich anvertraut.
Dass sie sich sicher spricht.
Dass sie sich kühl umkreist.
Dass sie sich wild gewinnt – gewann sie damals ihn absichtslos, blondes Haar, gab Mehreres, das ver-
lockte, verband, verbrauchte geschwind sich im Alltag, als sie selbst kaum kein Kind mehr gleich Mutter von Kindern, gleich mütterlich von ihm aufgefasst, der sein Ja-allumfassend-Wort ihr gegeben, bot Verantwortung
nicht, nicht Antworten auf ihre Fragen, verbot das Sagen, so dass ihr sich zu erhalten nur mehr schriftlich gelang – das Unfassbare in Worte zu fassen: dass, was so begann, so enden kann.
Denn weil es so war, als sie siebzehn und nochmal siebzehn und nochmal nochmal siebzehn war – darum das:

Dass sie sich im Tagebuch vor niemandem versteckt.
Dass sie sich beim Schaukeln nicht festhalten muss.
Dass sie sich, sich im Augenblick aufgebend, mag.
Dass sie sich beim Schreiben auf das Morgen freut – hatte sie damals sich auf ihn gefreut ohne Eigensinn, war er von ihr gut aus-, sie, wie sie werden wollte, grade angedacht, war Leben bewegtes Lesebuch erst. Von zu lesenden Worten zu eigenen Wegen, vom Sich-ein-Herz-fassen-Wagen zum Sich-selbst-Begegnen, und das mit dem Lust-Verlust als einen Zustand verstehen, der von Angesicht zu Angesicht wegzubewirken ist. Was daraus geworden ist? – eine Lebenslust, die daher kommt, dass sie von sich und von Siebzehn schreiben kann.

Chorprobe. Meisterklasse Tanja Warwa.


"Ich habe Angst, euch zu sagen, daß ihr den a-Laut zu kurz nehmt. Tu ich's, nehmt ihr ihn zu lang." Und lacht.

Zu: Siebzehn. Von lealeo.

SIEBZEHN.
Ihre quersumme hat etwas beglückendes.
Ganz gleich, ob sie steht oder liegt, diese acht.
Ein gebilde der anmut.
Arp’sche linien, liegend.
Ich muss sie berühren.
Fühlen. Umfassen.
Diese form, die nach händen heischt.

Unaufhörliches schwingen der acht.
[Der >>>> gesamte Text dort.]

Mittagswerkstatt: Christina von Bitter.


Mit einer lyrischen Hommage aus dem Meisterkurs Nora Gomringers.

Siebzehn. Von Juba

Da stand ich nun allein auf der Bühne, ein großer Scheinwerfer blendete mich. Unten, im Dunkeln, Gerd Brüdern mit der Jury.
„Was haben Sie vorbereitet? Ja, dann nehmen Sie mal Maria Stuart.“

Sei‘s, ich will mich auch noch diesem unterwerfen,
fahr hin, ohnmächt‘ger Stolz der edlen Seele,
ich will vergessen, wer ich bin und was ich litt....


Tante Liesl hatte nicht gewollt, dass ich Schauspielerin werde. Aber diesmal hatte ich mich durchgesetzt. Die Aufnahmeprüfung an der Otto- Falckenberg- Schule wollte ich unbedingt machen. Nur war sie mitgefahren, die Tante. „Man kann ein junges Mädchen nicht allein nach München fahren lassen.“ Ich musste das Kleid meiner Schwester anziehen. Viel lieber wäre mir meine Dreiviertelhose aus hellgrünem Cordsamt gewesen.
Ja, die Tante hat die Aufnahmeprüfung von diesem Jackenkleid sogar abhängig gemacht.

Ihr seid an Eurem Platz, Lady Maria,
und dankend preis ich meines Gottes Gnade,
der nicht gewollt, dass ich zu Euren Füssen
so liegen sollte, wie Ihr jetzt zu meinen...


Vorher war ich mit der Tante auf der Maximilianstrasse in der „Kulisse“ zum Frühstück gewesen, dort roch es nach Kaffee, nach Croissants, nach Großstadt.
„So, jetzt gehen wir da hin!“ Die Tante nahm meine Hand. Ich schüttelte sie ab, diese Hand: „Ich kann allein gehen.“
Sie wollte auch noch ins Schulgebäude mit hinein. „Nein, bitte nicht. Das mach ich selber.“
„ Also dann bis heut Abend, aber vor Einbruch der Dunkelheit!“

Denkt an den Wechsel alles Menschlichen!
Es leben Götter, die den Hochmut rächen,
verehret, fürchtet sie, die Schrecklichen,
die mich zu Euren Füssen niederwerfen.

.
Ich ging zur Anmeldung. „In Ordnung, Sie sind eingetragen. Sie müssen eine Weile warten,
Sie werden aufgerufen.“ Ich wagte mich in den „Warteraum“. Da waren schon andre junge Leute, fast alle trugen Schwarz, enge Hosen, schmale Pullover, viele rauchten. Sie erzählten einander, an welchen Schulen sie sich schon beworben hatten und wo sie noch hin könnten. Ich wusste nichts zu sagen. Es hätte auch niemand erwartet, dass ich etwas sage, ich hörte zu. Sicher waren alle allein nach München gereist, wahrscheinlich waren auch alle mindestens 18.
Mir schräg gegenüber saß ein Junge, sein Pullover war handgestrickt. Einmal schaute er zu mir herüber. Ich glaube, ich habe gelächelt. Dann nahm er sein Reclamheftchen wieder zur Hand. Hamlet.
.Eine junge Frau schaute herein. „Hoffmann“, sagte sie laut. Er stand auf und ging mit ihr. Jetzt war ich allein. Allein mit den anderen , die es sicher besser machten als ich. Die Luft war stickig, meine Augen begannen zu tränen.

O Gott im Himmel! Steht nicht da,
schroff und unzugänglich wie die Felsenklippe,
die der Strandende vergeblich ringend zu umfassen strebt.
Mein Alles hängt, mein Leben, mein Geschick,
an meiner Worte, meiner Tränen Kraft .
Löst mir das Herz, dass ich das Eure rühre...


Die Frau kam wieder. Ich war an der Reihe. Sie spuckte mir ein Toi Toi Toi über die Schulter. Ich bedankte mich. „Das mach ich jetzt noch mal! Du darfst nicht danke sagen, sonst nützt das nichts.“
Sie schob mich auf die Probebühne.

Wenn Ihr mich anschaut mit dem Eisesblick
schließt sich das Herz mir schaudernd zu,
der Strom der Tränen stockt, und kaltes Grausen
fesselt die Flehensworte mir im Busen an...

.
„Danke, das genügt. Sie hören von uns.“

Vor der Schule stand er, an die Mauer gelehnt.
„Wie war’s?“ fragte er.
“Weiß nicht“, sagte ich leise.
„Ich bin Jens. Jens Hoffmann. Aus Wuppertal. Es wäre schön, die Schule würde uns b e i d e nehmen.“
Ich nickte.

Womit soll ich den Anfang machen?
Wie die Worte klüglich stellen,
dass Sie Euch das Herz ergreifen?
Oh Gott, gib meiner Rede Kraft...

.
.

Morgens neben der 125.


Warten.




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