10
Aug
2012

Siebzehn. Von Juba

Da stand ich nun allein auf der Bühne, ein großer Scheinwerfer blendete mich. Unten, im Dunkeln, Gerd Brüdern mit der Jury.
„Was haben Sie vorbereitet? Ja, dann nehmen Sie mal Maria Stuart.“

Sei‘s, ich will mich auch noch diesem unterwerfen,
fahr hin, ohnmächt‘ger Stolz der edlen Seele,
ich will vergessen, wer ich bin und was ich litt....


Tante Liesl hatte nicht gewollt, dass ich Schauspielerin werde. Aber diesmal hatte ich mich durchgesetzt. Die Aufnahmeprüfung an der Otto- Falckenberg- Schule wollte ich unbedingt machen. Nur war sie mitgefahren, die Tante. „Man kann ein junges Mädchen nicht allein nach München fahren lassen.“ Ich musste das Kleid meiner Schwester anziehen. Viel lieber wäre mir meine Dreiviertelhose aus hellgrünem Cordsamt gewesen.
Ja, die Tante hat die Aufnahmeprüfung von diesem Jackenkleid sogar abhängig gemacht.

Ihr seid an Eurem Platz, Lady Maria,
und dankend preis ich meines Gottes Gnade,
der nicht gewollt, dass ich zu Euren Füssen
so liegen sollte, wie Ihr jetzt zu meinen...


Vorher war ich mit der Tante auf der Maximilianstrasse in der „Kulisse“ zum Frühstück gewesen, dort roch es nach Kaffee, nach Croissants, nach Großstadt.
„So, jetzt gehen wir da hin!“ Die Tante nahm meine Hand. Ich schüttelte sie ab, diese Hand: „Ich kann allein gehen.“
Sie wollte auch noch ins Schulgebäude mit hinein. „Nein, bitte nicht. Das mach ich selber.“
„ Also dann bis heut Abend, aber vor Einbruch der Dunkelheit!“

Denkt an den Wechsel alles Menschlichen!
Es leben Götter, die den Hochmut rächen,
verehret, fürchtet sie, die Schrecklichen,
die mich zu Euren Füssen niederwerfen.

.
Ich ging zur Anmeldung. „In Ordnung, Sie sind eingetragen. Sie müssen eine Weile warten,
Sie werden aufgerufen.“ Ich wagte mich in den „Warteraum“. Da waren schon andre junge Leute, fast alle trugen Schwarz, enge Hosen, schmale Pullover, viele rauchten. Sie erzählten einander, an welchen Schulen sie sich schon beworben hatten und wo sie noch hin könnten. Ich wusste nichts zu sagen. Es hätte auch niemand erwartet, dass ich etwas sage, ich hörte zu. Sicher waren alle allein nach München gereist, wahrscheinlich waren auch alle mindestens 18.
Mir schräg gegenüber saß ein Junge, sein Pullover war handgestrickt. Einmal schaute er zu mir herüber. Ich glaube, ich habe gelächelt. Dann nahm er sein Reclamheftchen wieder zur Hand. Hamlet.
.Eine junge Frau schaute herein. „Hoffmann“, sagte sie laut. Er stand auf und ging mit ihr. Jetzt war ich allein. Allein mit den anderen , die es sicher besser machten als ich. Die Luft war stickig, meine Augen begannen zu tränen.

O Gott im Himmel! Steht nicht da,
schroff und unzugänglich wie die Felsenklippe,
die der Strandende vergeblich ringend zu umfassen strebt.
Mein Alles hängt, mein Leben, mein Geschick,
an meiner Worte, meiner Tränen Kraft .
Löst mir das Herz, dass ich das Eure rühre...


Die Frau kam wieder. Ich war an der Reihe. Sie spuckte mir ein Toi Toi Toi über die Schulter. Ich bedankte mich. „Das mach ich jetzt noch mal! Du darfst nicht danke sagen, sonst nützt das nichts.“
Sie schob mich auf die Probebühne.

Wenn Ihr mich anschaut mit dem Eisesblick
schließt sich das Herz mir schaudernd zu,
der Strom der Tränen stockt, und kaltes Grausen
fesselt die Flehensworte mir im Busen an...

.
„Danke, das genügt. Sie hören von uns.“

Vor der Schule stand er, an die Mauer gelehnt.
„Wie war’s?“ fragte er.
“Weiß nicht“, sagte ich leise.
„Ich bin Jens. Jens Hoffmann. Aus Wuppertal. Es wäre schön, die Schule würde uns b e i d e nehmen.“
Ich nickte.

Womit soll ich den Anfang machen?
Wie die Worte klüglich stellen,
dass Sie Euch das Herz ergreifen?
Oh Gott, gib meiner Rede Kraft...

.
.




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